zero

Als ich 18 war prangte auf meiner Brust ein roter Stern auf grünen Grund. Ich war Vegetarier, hatte hüftlange Haare, rauchte Kette, wog ungefähr 110 kg und wollte die ganze Welt retten. Meine Absichten waren nicht geringer als Weltfrieden zu stiften, Umweltverschmutzung abzuschaffen und die kommunistische Weltrevolution anzuführen. In den letzten 13 Jahren hat sich viel verändert. Ich habe gelernt was hinter dem Wort „Ernüchterung“ versteckt liegt. Heute, 31 Jahre alt, trage ich meist schwarzes T-Shirt ohne Print. Ich war lange Vegetarier, noch länger Veganer und bin es nicht mehr, ich trage einen Kurzhaarschnitt, bin strenger Nichtraucher, der versucht nicht unter 80 kg zu wiegen, weil das dann immer so ungesund aussieht, und will die ganz Welt retten. Der Unterschied ist nur, dass ich heute weiß, dass das nicht so einfach klappen wird und ich die Welt am besten in meinem eigenen Wirkungskreis ein kleines bisschen besser machen kann.

 

 

 

Während ich den minimalistischen Lebensstil adaptierte eröffnete sich ein neuer Blick auf Dinge. Wie sich meine Ideale und Ansichten auch veränderten, mein Weltbild gekippt ist und wieder zurück kippte, eins war mir immer wichtig. Ich wollte die Welt zu einem besseren Ort machen. Wenn man heran wächst, die erste Ausbildung abschließt und ernüchternd feststellt, dass das einfach nicht das ist, was man ein ganzes Leben macht und deshalb noch mal einen komplett anderen Weg einschlägt auf dessen Weg man merkt, dass der wo ganz anders hinführt als man dachte. Man sich Prinzipien schafft und diese aus Überzeugung verfolgt und schließlich verwirft. So fühlen sich die Jahre zwischen 20 und 30 wohl an. Ich habe in meinen bisherigen Artikeln immer darüber gesprochen wie mich das Leben mit nur dem Nötigsten besser gemacht hat. In diesem Artikel möchte ich über meine Motivation für unseren Planeten schreiben. Dieses Ökosystem in dem wir Leben, das so zerbrechlich ist, ist aus einer Reihe von Unwahrscheinlichkeiten entstanden. Manche möchten es sicher ein Wunder oder Werk Gottes nennen. Ich nenne die Vielfalt und die Bedingungen gerne Zufall. Ein glücklicher Zufall. Wir sollten es schätzen und erhalten, so wie man einen wirklich schönen Baum erhalten soll, so sollte man auch unseren Planeten erhalten und einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Wir groß der ist kann man hier raus finden. Mein ökologischer Fußabdruck liegt bei 3,6 gha pro Jahr. Würde jeder meinen Lebensstil hegen bräuchte man dafür die Ressourcen von über zwei Planeten. Der deutsche Durchschnitt liegt bei fast dem Doppelten meines Fußabdrucks. Die Konsequenz muss ich wohl nicht weiter erläutern. Ganz ohne Spuren geht es nicht und wird es nicht gehen. Wo sich Lebewesen aufhalten verändern sie ihr Umfeld und passen es an Ihre Bedürfnisse an. Aber wenn wir so weiter machen ist der Planet in seiner Vielfalt bald nicht mehr da. Aber darüber haben andere schon genug geschrieben. Nachdem ich mir das bewusst gemacht habe hat sich mein Denken verändert. Ich hab mich entschieden meinen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Wie man an meinem Ergebnis erkennt hab ich da noch einiges an Spielraum.

 

Was man eben so macht, in unserer Generation, wenn man sich in ein Thema einarbeitet, man googlet. So bin ich recht schnell auf das Schlagwort „Zero Waste“ gestoßen. Themen wie Mikroplastik und Müllstrudel im Ozean sind in meiner Filterbubble sehr präsent. Bisher hab ich das mit einer mürrischen Indifferenz betrachtet und immer die Ausrede „Da wird man schon mal irgendwas erfinden“ vor mir her geschoben. Aber warum etwas entwickeln wenn man doch weiß wie es geht. Plastik meiden, Müll reduzieren, recyceln. So hab ich es mir vorgenommen und die Idee beim Abendessen mit meiner Familie besprochen. Die jüngeren Mitglieder des Haushalts waren sofort dabei und überzeugt. Auch die Erwachsenen waren schnell bereit es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Wir haben verschiedene Themengebiete aufgetan in denen wir Potentiale sahen um die Prinzipien für die Müllreduktion anzuwenden.

 

 

 

Das Badezimmer

 

Wenn man sich nur einmal im Badezimmer im Kreis dreht hat man schnell 20 bis 50 Verpackungen auf den ersten Blick gesehen. Zahnbürste – Plastik; Zahnpasta – Verpackung Plastik, enthält Mikroplastik; Duschgel – Plastikverpackung; Kamm – Plastik; Shampoo – Plastikverpackung; Einwegrasierer – Plastik … Man weiß wie lange man die Liste noch schreiben könnte. Mein Verpackungsmüllschwerpunkt war das Duschgel/Shampoo. Hier verbrauche ich pro Woche locker eine Flasche. Alternative? Seife! Aber ich wollte nicht gleich wieder eine abgepackte Seife kaufen. Also siedete ich mir meine Seife selbst. Mit ein bisschen Recherche findet man rasch einige Rezepte. Hat man dafür keine Zeit oder Angst vor dem Ätznatron gibt es hier viele Anbieter und Produkte. Aleppo-Seife ist sehr beliebt. Wir haben zum Glück einen Seifenladen in der Stadt. Haare waschen mit Seife ist zunächst ungewohnt. Inzwischen finde ich es komisch wenn ich das mit Shampoo machen muss. Weiter kaufte ich einmal das Familienset Bambuszahnbürsten und eine Packung Zahnpastatabletten. Die Zahnbürsten kommen gut an und werden immer noch rege benutzt. Der Zahnpasta Ersatz, der ein oder andere wird diesen bestimmt mit der Wehrdienstzeit assoziieren, werden nur noch von mir genutzt. Aber ich steh drauf und hab seit zwei Monaten keine Zahnpasta mehr gebraucht. Jetzt neigt sich das Glas langsam dem Ende zu und als nächstes Experiment habe ich Feste Zahnpasta am Stil geordert, mit der Hoffnung, dass diese länger als einen Monat hält (Die Packungsgröße von 63 Tabletten finde ich etwas sehr klein und ich möchte nicht monatlich eine neue Bestellung absetzen müssen oder Unmengen an Reservegläschen vorhalten, hier geht es schließlich immer noch um Minimalismus). Tatsächlich leere ich aktuell den Müll im Bad nur noch einmal im Monat aus und nicht wie bisher zweimal die Woche.

 

Einkauf/Küche/Lebensmittel

 

 

 

Im Supermarkt ist eigentlich alle in Plastik eingeschweißt. Auch das fällt mir erst auf seit ich mir Müllsparen auf die Fahne geschrieben habe. Ich esse viel Obst und Gemüse, bisher Griff ich immer zur Plaste am Gemüseregal, gerade bei Weintraube, Kiwi oder Erdbeeren. Mit ein paar Obstbeuteln aus Stoff und ein paar Baumwolltaschen funktioniert der Einkauf schnell unverpackt. Aber man muss sich immer wieder fragen ob man das jetzt braucht und wenn ja ob man es irgendwie unverpackt bekommt. Wasserflaschen auf Einwegplastik sind Tabu. Auch wenn man zwar die 1,5 Liter Flaschen wieder zurück gibt dank Pfandgesetz, sie werden dann einfach nur geshreddert und unter unfassbar viel Energie recycelt um dann als minderwertigeres Produkt wieder in Umlauf zu kommen bis man dann endgültig den Rohstoff so verunreinigt hat bis es nur noch Sondermüll ist. Und wenn man mal ganz ehrlich ist, dann ist die deutsche Trinkwasserqualität so hoch, dass man eigentlich wirklich kein Wasser im Supermarkt kaufen muss und sich das Geld lieber komplett spart. Wo es möglich ist nutzen wir also Stoff statt Plastik. Gerade beim Bäcker und beim Metzger bitten wir immer darum einfach alles nur mit Papiertüten zu verpacken. Im Normalfall machen dass die Verkäufer_innen sehr gerne. In vielen Städten entstehen gerade Unverpackt-Läden, die es bald viel einfach machen werden möglichst ohne Müll Lebensmittel einzukaufen. Die größeren Ketten die ein umweltbewusstes Image pflegen springen langsam auf den Zug auf. Durch Einkauf in Bio- und Unverpackt-Läden wird der Wocheneinkauf etwas teurer. Zero-Waste ist nicht billig. Oft genug wäge ich hier sehr lange ab und oft genug habe ich entweder Dinge gar nicht gekauft, weil zu viel Plastik oder die Alternative zu teuer und um ehrlich zu sein (das versuche ich meistens) habe ich nix verpasst durch den Verzicht, weil es meistens eh nur Schokolade, Chips oder anderer Fett-Kram ist.

 

 

 

Der Alltag

 

 

 

Meine Nalgene-Trinkflasche ist schon seit 4 Jahren ein treuer Begleiter. Im Winter mit heißem Tee, im Sommer mit Ingwer-Wasser, dass immer wieder mit Eiswürfeln ergänzt wird. Hier war für mich kein Entwicklungspotential. Was ich mir abgewöhnt habe ist das Essen in der Dönerbude oder sonstigen Schnellimbiss mit schön viel Styroporverpackung. Stattdessen habe ich mir eine Ökolunchbox angeschafft, die ich alternativ mit Resten vom Abendessen vom Vortag befülle oder direkt mit zum Imbiss nehme und dort befüllen lasse. Die Imbissbesitzer freuen sich auch. Zudem sind ein paar Ess-Stäbchen und eine Stoffservierte in der Arbeits-/Alltagstasche ein ständiger Begleiter geworden. Dort ist auch mein Kaffeebecher. Keine To-Go-Becher mehr für mich. Meinen Kaffee mach ich mir morgens zu Hause. Im Büro wasche ich mir den Becher dann aus und falls ich noch mal einen Wachmacher für unterwegs brauche lass ich mir den im Bäcker oder bei der beliebten Fastfood-Kette, der Taverne zur Goldenen Möwe, neu befüllen. Manche Bäcker und Cafés bieten hier inzwischen sogar einen Rabatt an. Ich spare mir dadurch echt Geld, besonders die Mittagspause fällt ins Gewicht. Ich gehe merklich seltene zur Bank und hole mir Bargeld. Da ich alles außer Bäcker und Dönerbude mit Karte zahle.

 

 

Manche sammeln beim Trailrunning den Müll auf und nennen sich zu Recht Cleaner of the Trails, andere erzeugen so wenig Müll, dass sie das bisschen, dass sie nicht vermeiden lässt in einem Einmach-Glas sammeln und nur einmal im Jahr leeren. 

Man kann hier echt kreativ werden und Dinge neu und anders angehen. Bewusster einkaufen, leben, sich untenrum waschen. Man muss es nur wollen und die Zusammenhänge verstehen. Ich bin von nur einem Einmachglas Müll pro Jahr weit entfernt, werde das wohl auch nie schaffen, aber nicht mehr jede Woche am Abend bevor die Tonne abgeholt wird noch mit Gewalt den letzten Sack Müll hinein zu stopfen hat mir schon einen Mehrwert bereitet. Jetzt kann man sich fragen was das alles mit Minimalismus zu tun hat. Minimalismus ist ein Teil von Zero-Waste und doch genauso ein Wording für ein Konzept bewusster, nachhaltiger und glücklicher zu leben. Das Thema ist zu groß für nur ein Essay oder einen Artikel. Ich wollte euch einen Überblick geben und meine Motivation zeigen. Da draußen gibt es hunderte tolle Zero-Waste-Blogs, ein paar habe ich im Artikel verlinkt. Mein 18-Jähriges ich wäre wohl stolz auf mich, auch wenn ich ein Spießer geworden bin mit Reihenhaus, Schrebergarten und vielen gebrochenen Prinzipien. Jeden Tag die Welt ein bisschen retten!

Sicherlich gibt es noch mehr Fragen. Ich möchte gerne darauf eingehen! Schickt mir eure Fragen als Audiofile an schnaufcast@gmail.com und ich beantworte Sie im Podcast! Habt ihr Tipps? Immer her damit! Wir könnend davon lernen!

Und am wichtigsten ist, dass ihr mit anderen Leuten über die das sprecht, was euch fasziniert!

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