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Wenn man so durch die verschiedenen Minimalismus-Blogs schmökert, wirken Minimalisten häufig irgendwie sehr negativ. Vom Leben enttäuscht und überfordert streifen sie grimmig durch ihre inhaltsleeren Wohnungen und versuchen sich dadurch Inhalt in ihre inhaltsleeren Leben zu bringen. Ich bin kein Minimalist, weil ich sonst nichts anderes habe. Besonders bin ich kein Asket oder Mönch. Ich bin Genussmensch durch und durch. Ich lebe um Dinge zu genießen. Momente auszukosten. Minimalismus ist noch relativ neu, doch war es für mich leicht zu adaptieren. Eigentlich hab ich das schon lange gespürt, doch war nie konsequent genug. Ich habe jahrelang geraucht, weil es für mich genussvoll ist zu rauchen. Da es jedoch nicht gesund ist und nicht gerade förderlich für jemanden der Ausdauersport betreibt habe ich das Rauchen jedoch aufgegeben. Mit noch mehr Genuss war jedoch für mich immer schon der Kaffee verbunden.

 

Ich erinnere mich da an meine Ausbildung zum Steinmetz als ich jeden Morgen meine Thermoskanne füllte. Mit viel Milch und Zucker, blond und süß scherzte ich. Damals habe ich Kaffee nicht getrunken weil ich es mit Genuss verband, sondern weil eine Zeit ständiger Müdigkeit war und ich irgendwie am Leben bleiben musste. Täglich stand ich um sieben Uhr in der Werkstatt und mit 18 geht man eben nicht um Elf schlafen. Dieser selbstauferlegte Schlafentzug wurde nur durch die Zeit getoppt, in der mein Sohn noch ganz klein war und kaum länger als zwei Stunden am Stück Schlaf möglich war. Kaffee war und ist ein Überlebenselixier Heute gehe ich meist gegen Elf zu Bett und Kaffee ist Teil meiner Morgenroutine, wie in so vielen Haushalten. Wie in so vielen Haushalten, tropfte der Kaffee auch bei mir lange Zeit aus kleinen Plastik- oder Aluminiumkapseln. 365 Kapseln im Jahr, entgegen der Propaganda der Hersteller, nicht recycelbares Material. Wenn man es sich vor Augen führt erschrickt man, aber wenn man da nicht achtsam ist fällt es gar nicht weiter auf. Ich weiß selbst wie einfach man solche Dinge ignorieren kann. Den Kapselkaffee abzuschaffen war eine bewusste und gute Entscheidung. Seit ungefähr zwei Jahren filtere ich meinen Kaffee per Hand. Ich stieg um vom billigen Discounter-Kaffee auf handwerklich produzierten Kaffee. Ich merkte einen Unterschied. Ich setzte mich mit dem Thema auseinander und außer etwas Biomüll und alle paar Wochen einer Tüte für die Kaffeebohnen fiel kein unnötiger Müll mehr an. Dann fiel mir beim Ausmisten eine alte Kaffeemühle in die Hand. Sie roch immer noch nach Kaffeebohnen ob wohl sie wenigstens fünf Jahre nicht mehr benutzt wurde. Als das letzte Mal der gemahlene Kaffee leer war, griff ich im Regal nach dem ein Kilo Sack ganzer Bohnen meiner ansässigen Rösterei.

 

 

 

 

 

So beginnt mein Tag damit, dass ich zunächst meinen Filter einmal mit Wasser durchlaufen lasse. Derweil fülle ich die exakte Menge Wasser in Wasserkocher und dosiere die Bohnen in die Mühle. Das Mahlen ist nicht gerade leise und unsere Katze schaut mich dann doch immer sehr verwirrt an, was ich denn da um sechs Uhr morgens für ein Theater veranstalte. Der gemahlene Kaffee kommt schließlich in den Filter und dann, wie ich es bei Jack Ryan gelernt habe, eine Prise Salz oben drauf. Vorsichtig mit dem kochenden Wasser übergossen, ergibt das einen unschlagbaren Duft, der die gesamte Küche erfüllt. Keine Maschine, keine Kapsel, Keine Reinigungsvorgänge. Das schafft nur das minimalistische Handfiltern von selbstgemahlenen Kaffee. Seitdem gibt mir Kaffee einen absoluten Mehrwert, jeden Tag. Es ist etwas, das ich mit Leidenschaft machen kann.

 

Ich sitze in Lacona unter der Pergola unsere Agritourismo Campingplatz und bestelle einen Café Americano. Dies ist ein Espresso, der mit Wasser gestreckt wird, so leichter bekömmlich ist, aber den intensiven Espressogeschmack beibehält. Erfunden wurde das zu Zeiten der amerikanischen Befreiung im und nach dem zweiten Weltkrieg, denn den Soldaten aus Übersee war der italienische Espresso einfach zu stark.


Bisher trank ich meinen Kaffee immer mit viel Milch. Blond, aber nicht mehr süß, denn den Zucker hab ich mir irgendwann abgewöhnt. Wie man wohl mit zunehmenden Jahresringen zum Pilstrinker wird, schätzt man auch ab einer gewissen Reife den herben Geschmack von Kaffee ohne Zucker. Dieser italienische Café Americano löste in mir einen weiteren Reifeprozess aus. Das erste Mal schmeckte mir schwarzer Kaffee so erfüllende, dass ich fast überwältig war. Die Minimalisierung meiner Art Kaffee zu genießen führte auch zu einer Maximalisierung des Genuss. Bei Schwarzem Kaffee schmeckt man die Nuancen der Zubereitung heraus, die Süße der Bohnen, der Säuregehalt, ja selbst die Art des Filterpapiers. Nie wurde mir deutlicher gezeigt, dass weniger tatsächlich so viel mehr ist. Über ein Monat ist vergangen seit diesem sinnstiftenden Heißgetränk in Italien. Nie habe ich Kaffee mehr genossen.

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