breath

Ich bin ein unausgeglichener, ungemütlicher und ungeduldiger Mensch. So bin ich. So will ich nicht sein. Ich befinde mich im Wandel. Immer. Ich habe in den letzten 50 Tagen so viel über mich nachgedacht wie noch nie. Nein, ich habe über mein Leben und was mich aus macht meditiert. 50 Tage lang. Zwischen drei und zehn Minuten habe ich nur mit mir verbracht. Schweigend. Einatmend. Ausatmend. Schweigend. Es hat sich angefühlt wie eine Reise. Ich habe nicht vor je wieder anzuhalten.

 

Im Sommerurlaub zählte ich die Tage bis ich wieder nach Hause muss. Die Stimmung fiel mit jedem Tag. Ich war nie im Moment. Immer in der Zukunft. Beim Lauftraining bin ich immer beim Wettkampf, bei dem Ziel, auf das ich mich zubewege. Nie im Moment, nie im Schritt den ich gerade mache. Im Beruf plane ich. Ich versuche mir Tage, Wochen, Monate, gar Jahre im Voraus zu überlegen welche Abläufe in welcher Reihenfolge passieren müssen, dass aus einzelnen Werkstoffen am Ende ein Gebäude entsteht. Ich denke viel und weit. Wie ich laufe. Viel und weit. Nur das erste Mal seit ich begonnen habe zu Laufen ohne Ziel, ohne anstehenden großen Wettkampf. Ich laufe um den Schritt zu genießen. Atme ein und freue mich über die frische Luft in meinen Lungen. Atme aus und spüre den Sauerstoff im Blut. Die Muskeln benötigen diesen Sauerstoff um Kalorien zu verbrennen. Ein Atemzug führ zum nächsten Schritt. Ein stark vereinfachter Vorgang. Wunderschön. Bewusstes Atmen ist nicht schwer, wenn man erst mal überhaupt weiß, dass da geht.

 

Ich habe angefangen Yoga zu praktizieren. Nicht um abzunehmen. Nicht um flexibler zu sein. Nicht um beeindruckende Asanas zu machen. Ich wollte zufriedener, ausgeglichener und geduldiger sein. So habe ich gelernt zu bewusst zu atmen. Prana im Sanskrit. Yoga ist Atmung und Bewegung. So einfach. Ausatmen und Bewegen. Einatmen. Bewegen. Wie bei der Meditation habe ich immer wieder angefangen Yoga zu üben. Immer wieder damit aufgehört, ohne Grund. Es hat mich nicht abgeholt. Weil Yoga auch niemanden versucht abzuholen. Man muss Yoga wollen. Vor 10 Wochen wollte ich Yoga. Und Yoga lehrte mich das atmen. Ich habe wieder angefangen zu meditieren. Tiefer und ehrlicher als je zu vor. 3 Minuten Stille und tiefe Bauatmung. Keinen bewussten Gedanken. Danach die Augen öffnen und wieder an der Welt teilnehmen.

 

Jetzt habe ich also 50 Tage lang täglich meditiert. Was hat sich dabei in mir und meinem Leben verändert? Ich fühle mich ausgeglichener, es ist noch lange nicht perfekt, doch jeden Tag werde ich etwas zufriedener. Ich nehme dabei vor allem meine Gefühle besser wahr. Manchmal bin ich traurig. Oft weiß ich nicht wie so. Immer öfter kann ich das Gefühl annehmen und es betrachten, statt zu versuchen es wieder los zu werden es ergründen und an der Ursache arbeiten, bei einem guten Gefühl den Auslöser bewahren und wertschätzen, bei einem schlechten versuchen den Grund zu beseitigen oder zumindest seine Wirkung auf mich zu mindern. Ich hab mein Bild von mir in Selbstwahrnehmung hinterfragt und versucht die Fremdwahrnehmung zu verstehen. Ich bin geduldiger geworden. Zunächst waren drei Minuten kreuzbeinig zu sitzen und zu atmen lang, anstrengend und nicht selten habe ich ein Auge geöffnet und auf den Timer gesehen. Inzwischen fühlen sich Sitzungen unter 10 Minuten fast zu kurz an. Wenn sich mein Atem beruhigt hat ist es wie ein langer Lauf an einem guten Tag. Das Gefühl das man das den ganzen Tag tun kann. Ich hab mir selbst Geduld gelehrt. Viel zu oft habe ich überspringend gehandelt. Vorschnell reagiert. Geschimpft, verurteilt und etwas beendet bevor ich eigene und fremde Motivation betrachtet habe. Ich habe Demut gelernt. Dinge anzunehmen die nicht zu ändern sind. Fehler zu akzeptieren und sie nicht nochmal zu begehen. Das Selbstverständliche zu schätzen. Sich an 10 Minuten Ruhe zu erfreuen. Ich habe begonnen bewusst zu leben. Immer wenn ich sowas bisher gelesen und gehört habe fand ich es abgedroschen. Aber all das hat sich ergeben ohne dass ich Einfluss darauf genommen habe. So wie ich Gedanken die während dem Meditieren kommen einfach beobachte und mit dem nächsten Atemzug ziehen lasse.

 

 

Zehn Minuten erscheinen nicht viel wenn man unser schnelles Leben betrachtet. Doch wurde mir schnell klar, dass ich schnell wieder den Faden verliere wenn ich die tägliche Praxis nicht in mein Leben integrieren kann. Und daraus ergibt sich doch tatsächlich nun eine Morgenroutine. Kurz nachdem ich angefangen habe täglich zu meditieren habe ich angefangen unmittelbar vor meinem Wecker aufzuwachen. Auch das kam mir einfach zugeflogen. Gegen 5:30 Uhr wache ich erholt auf und habe kein Bedürfnis mehr zu schlafen. Heute habe ich das erste Mal keinen Wecker gestellt. Ich verlasse dann meist sofort nach dem ich dem schlummernden Wesen neben mir einen guten Morgen gewünscht habe das Bett und gehe ins Bad. Dort trinke ich zwei große Gläser lauwarmes Wasser, putze die Zähne und wasche mir mit kaltem Wasser das Gesicht. Falls nötig rasiere ich mich und benutze Körperöl bevor ich unter die warme Dusche gehe. Nach dem duschen trockne ich mich ab. Falte das Handtuch zusammen und setze mich mit gekreuzten Beinen oder im halben Lotus auf das gefaltete Handtuch. Atme drei Mal tief in den Bauch und beginne meine Meditation in dem ich zunächst die Atmung weiter vertiefe. Habe ich einen Rhythmus gefunden lasse ich den Atem einfach natürlich fliesen. Wende dann eine Meditationstechnik an, zumeist Mantrameditation, die ihr euch aber am besten vom Profi erklären lasst oder durch Bücher aneignet. Gerade am Morgen lasse ich die Meditation gerne mit einigen Affirmationen, ich mag das Wort nicht, ausklingen. Erklingt der Gong meines Timers wiederhole ich bis zu drei Dinge die ich mir für den Tag vornehme. Aktuell sind das „Geduld“, „Verständnis“, „Fokus“. Manchmal verändere ich meine Vorsätze für den Tag. Habe ich ein komplexes Meeting in dem ich viel reden muss konzentriere ich mich auf mein Selbstbewusstsein oder formuliere gar mein Ziel verbal für mich. Habe ich meine tägliche Praxis beendet löst das in mir ein ähnlich gutes Gefühl aus wie nach einem erfolgreichen Lauf auf die Uhr zu drücken. Diese Befriedigung hat bis heute nicht nachgelassen. Meist bin ich zu diesem Zeitpunkt gerade mal 30 Minuten im neuen Tag und habe schon ein Glücksgefühl. Meine Grundstimmung hat sich verbessert, durch zwei Dinge, die ich niemals für mich als sinnvoll erachtet hätte: Meditation und Morgenroutine.

 

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Meditation am Abend hilft mir runter zu kommen. Den Arbeitstag sacken zu lassen und mich für die Freizeit zu öffnen. Kreativität umzulenken und den Kopf frei zu bekommen. Ich hab mir einen kleinen Meditationsspot eingerichtet mit ein paar hübschen Pflanzen, einer Leselampe und meiner Klangschale (Ein Andenken aus dem letzten Sommerurlaub). Es gibt ab und zu mal einen Tag, an dem ich noch einen Wecker brauche, oder in der Früh etwas unvorhergesehenes passiert und ich nicht lange oder gar nicht schaffe zu meditieren ist der Abend meine Fallback-Option. Aber ich habe Meditation noch nie als Pflicht empfunden sondern schon immer als Genuss. So lege ich ab und zu eine zweite Session ein und lese im Anschluss ein wenig mit geöffnetem Geist.

 

 

Eine Anleitung zur Meditation zu finden, ohne mich mit esoterischem Sing-Sang zu überschütten, war gar nicht so einfach. Ein Gebet ist nichts anderes als eine Mantra-Meditation. Wenn Katholiken 12 Rosenkränze beten kommt das einer 45-minütigen Meditation gleich. Ob man nun „Om“ wiederholt oder „Ave Maria, gepriesen seist du… „ ist kein großer Unterschied. Es ist ein Werkzeug um den Geist zu öffnen und sich auf das wesentliche zu besinnen. Die unbefleckte Religion als Träger guter Praktiken. Ich habe mir die Meditationspraktiken von Sukadev Bretz erlernt. Durch seine moderne Art und sein Auftreten habe ich den spirituellen Überbau nie als störend empfunden. Durch zahlreiche Videos und Artikel konnte ich mir ein Gerüst erarbeiten, dass ich mit anderen Ideen und Inspirationen befüllen kann. Und schließlich bin ich allein durch die Fülle an verständlichen Informationen dabei geblieben. Habe zunächst den 10 wöchigen Yogakurs absolviert und parallel die Meditation in mein Leben eingebracht.

 

 

Meditation ist gelebter Minimalismus. Man braucht dafür nämlich nichts. Gar nichts. Nicht mal Kleidung. Man kann es überall machen und zu jeder Zeit. Im Park sollte man jedoch wenigstens eine Hose anziehen. Ich nutze wie oben erwähnt einen Timer, der mir verschieden Möglichkeiten bietet wie Zwischengongs und angeleitete Meditationen. Dies ist gerade dann hilfreich, wenn man wie ich ein hibbeliger, ungeduldiger Mensch ist und das erste Mal beginnt länger zu meditieren. Für meine Meditationsecke habe ich mir ein Sitzkissen genäht, aber ein gefaltetes Handtuch unter dem Po tut es genauso wie ein normales, kleines Kissen. Es sorgt nur dafür, dass man längere Zeit bequem sitzen kann und ein kreuzbeiniger Sitz, halber Lotus oder Lotussitz angenehmer sind. Mit der erwähnten Klangschale leite ich meine Meditationen in Stille ein. Das Klingen nimmt ab und schafft Raum für die Stille. Besonders entspannend wird es wenn man die Sitzung mit Duftölen untermalt. Ich mag das besonders am Abend und nach harten Yoga-Sessions. Aber das ist alles Geschmackssache und je nach Interesse und Ziel.

 

Meine morgendliche Meditation ist einfach ein minimalistischer Start in den Tag.

 

 

 

Hier nun noch ein paar hilfreiche Tipps für mehr Informationen zum Thema Yoga &  Meditation:

 

Meditation für Skeptiker

Yoga Vidya

Insight Timer

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Jürgen (Mittwoch, 14 Februar 2018 21:39)

    Versuche auch nach Aufstehen gleich zu meditieren, klappt ganz gut. Nur Abends, sehr schwer ... Gerade nach 25 Minuten immer kurz vor Einschlafen. Zum Glück hilft mir App (STILL für iOS) wach zu bleiben. ;-)